Marion Überschaer, Spitzenrheydterin

Marion Überschaer vor ihrem "Lieblings-Leerstand"
Marion Überschaer vor ihrem „Lieblings-Leerstand“, Foto: Nadine Beneke / menscheningladbach

„Verliebt in diese Stadt“

Bei strahlendem Sonnenschein kommt mir Marion Überschaer auf dem Rheydter Marktplatz entgegen. „Ich bin ziemlich groß und habe kurze braune Haare“ verriet sie mir vor unserem Treffen. Das konnte ich mir gut merken: Ich bin nämlich ziemlich klein und habe lange braune Haare. Dank ihrer Beschreibung, und weil sie fröhlich winkend auf mich zukommt, erkenne ich Marion gleich. Die schlaksige Frau gibt mir die Hand und strahlt. Auf verschiedenen Kanälen bin ich auf ihre Masterarbeit aufmerksam geworden: Die schreibt sie über Leerstände in Rheydt, der Wahlheimat der gebürtigen Freiburgerin. „Die Idee, eine Masterarbeit daraus zu machen, kam mir morgens um sechs Uhr. Und normalerweise bin ich Langschläfer. Aber plötzlich war ich wach und – zack – war die Idee da“, sagt sie und klatscht beim „Zack“ in die Hände. Seit über zehn Jahren lebt Marion in Mönchengladbach. Nach ein paar Schritten bleibt sie kurz stehen: „Mir geht es wie dir. Ich habe mich in diese Stadt verliebt.“

„Hin und her und her und hin“

Die heute 40-Jährige begann mit Mitte Zwanzig ihre „große Umzugsphase“. Vom Breisgau aus führte ihr Weg über München nach Mönchengladbach. Nach einem Bibliothekatsreferendariat in Bayern suchte sie nach Jobs in ganz Deutschland. Die Vitusstadt war ihr vorher – zumindest geographisch – relativ unbekannt: „Ich wusste gar nicht, wo die Stadt liegt. Ganz früher als Kind habe ich mir vorgestellt, dass Mönchengladbach ein Vorort von München ist. Deswegen fand ich es lustig, dass ich genau von München nach Mönchengladbach gezogen bin.“ Hier angekommen kreierte Marion ihre ganz eigene Methode, sich mit der Stadt bekannt zu machen: „Eine Weile habe ich ein Projekt betrieben namens ‚Jedes Wochenende ein Stadtteil‘. Dabei habe ich mir Mönchengladbach mit dem Rad erschlossen. Ich schnappte mir meine Karte und beschloss: Heute fahre ich nach Wickrath. Ich bin dann nur in diesem Stadtteil rumgegurkt. Immer hin und her und her und hin.“ Touren durchs Grüne macht Marion auch heute noch, allerdings kennt sie sich inzwischen bestens aus. Fährt durch die Parks und an der Niers entlang, lebt nahe der Innenstadt von Rheydt und genießt es, „so zentral zu wohnen“. Neben der Lage und der Verbundenheit zur Stadt spricht übrigens auch der finanzielle Aspekt für ihre neue Heimat: „Jetzt wohne ich in einer Drei-Zimmer-Wohnung, die genauso viel kostet wie meine Ein-Zimmer-Wohnung in München. Das ist unglaublich“, sagt sie.

Marion Überschaer (hier mit ihrer fantastischen Tasche aus Freiburg)
Marion – mit ihrer fantastischen Tasche aus Freiburg, Foto: Nadine Beneke / menscheningladbach

„Auf andere Weise schön“

Marions beruflicher Einstieg klappte ebenfalls gut: Achteinhalb Jahre arbeitete sie als stellvertretende Bibliotheksleiterin an der Hochschule Niederrhein. Dann entschloss sie, einen lange gehegten Traum nicht länger zu verschieben: „Längere Zeit dachte ich, ich würde später noch einmal studieren. Aber das ist eigentlich Quark. Man weiß ja nicht, was später ist. Mir ging es gut, ich hatte genug gespart und den Kopf dafür, mir alles zu merken.“ Vor zwei Jahren begann sie deshalb – ebenfalls an der Hochschule Niederrhein – die Studiengänge Kulturpädagogik und Kulturmanagement zu studieren. Für Kultur interessiert sich Marion aber nicht nur passiv: Auf ihren ausgiebigen Radtouren hat sie ihre Kamera immer dabei. Sie stellte bereits Bilder des JHQ aus (das Gelände durfte sie mit Sondergenehmigung fotografieren), hält seit 2010 die Rheydter Leerstände auf Bildern fest und war mit ihrem Masterthema bei der Schauzeit unter dem Titel „work in progress“ vertreten. „Ich finde, bestimmte Themen sollten gesehen werden“, sagt sie und wird auf einmal ganz ernst. Besonders wichtig ist ihr, dass die Gladbacher ihre Heimat nicht verkennen: „Es ist sehr bedauerlich, dass manche Leute ihre eigene Stadt nicht mögen. Mir hat noch keiner, der von außen kam, gesagt: Du bist aber in eine hässliche Stadt gezogen, Marion. Was ich oft gehört habe, ist: Freiburg ist bestimmt viel schöner als Mönchengladbach. In gewisser Weise vielleicht, aber Gladbach ist auf andere Weise schön. Freiburg ist mir mit den Jahren ein bisschen langweilig geworden. Hier hat man viel mehr Abwechslung.“

„Keine Edelboutique“

Wir schlendern über den Marktplatz und bewegen uns Richtung Fußgängerzone. „Hey fein, da hat jemand etwas abgerissen“, freut Marion sich, als wir an einem ihrer Flyer vorbeikommen. Bis zum 30.9. befragt sie die Rheydter nach ihrer Meinung zu leerstehenden Gebäuden. „Welche Gründe sehen Sie für den Leerstand von Rheydter Geschäften?“ fragt sie beispielsweise. Außerdem gibt sie die Möglichkeit, Wünsche zu äußern. Was aber sind die Gründe? „Da gibt es unendlich viele, die sich gegenseitig hochschaukeln. Einfach gesagt, es fängt blöd an und wird dann immer schlimmer.“ Marion öffnet ihre Mappe und lässt mich einen Blick auf die Ergebnisse werfen. 108 Teilnehmer haben zum Zeitpunkt unseres Interviews an der Umfrage teilgenommen. „Geringe Kaufkraft“ und „hohe Mietpreise“ werden genannt. Ein Nutzer schreibt schlicht „langweilig“. Die Rheydterin ist aber überzeugt: „Es ist tatsächlich so, dass wir in Rheydt ein sehr gutes Angebot haben. Eine gute Abdeckung pro Einwohner. Die Bewohner von Rheydt haben aber eher unterdurchschnittlich viel Geld. Eine Edelboutique würde sich hier nicht halten können.“ Wenn man Marion zuhört, wird klar: Die Edelboutique braucht in Rheydt auch niemand. Denn Gladbach ist lebens- und liebenswert. Marion hält die kleinen und großen Besonderheiten der Stadt fest. In Fotos, neuerdings auch auf ihrem Blog und in ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Eine wahre Spitzenrheydterin!

Deshalb meine Empfehlung: Schaut doch mal auf

Marions Blog

und

Marions Homepage vorbei.

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