Während mein Tee vor sich hindampft, kommt Torsten „Knippi“ Knippertz ins Van Dooren. Bereits im vergangenen Jahr durfte ich den großgewachsenen 45-Jährigen in der Kulturküche interviewen. Heute stehen wieder viele Fragen auf meiner Liste. Los geht es also: Geboren und aufgewachsen ist der Stadionsprecher in Mönchengladbach, erzählt er mir: „Dann habe ich eine kurze Runde gedreht. Ein paar Jahre in Köln, ein paar Jahre in Berlin und München. Seit ungefähr acht Jahren wohne ich wieder hier.“ Zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter lebt Torsten am Schillerplatz und fühlt sich „sauwohl“. Mit 26 beginnt er seinen Ausflug durch Deutschland, absolviert Stationen wie Radio Köln, EinsLive oder Radio Energy München. Außerdem ist er in Serien wie „Unser Charly“ oder „Mord mit Aussicht“ als Schauspieler zu sehen. Im kommenden Jahr spielt er einen FIFA-Pressesprecher im Kinofilm „Der 90 Minuten Krieg“. Regelmäßige Moderationen für n-tv, SPORT 1 und die Kulturküche stehen in seinem Wochen- und Monatsplan. „Das Fußballerische richtet sich natürlich nach dem Spielplan von Borussia Mönchengladbach“, sagt er. Wenn man ihn fragt, welche seiner Aufgaben ihm am meisten Spaß macht, kommt die Antwort prompt und mit einem großen Lächeln im Gesicht: „Herzensmäßig ist Borussia ganz weit vorne, zusammen mit der Schauspielerei.“
„Isch bin bereit“
1999 beginnt „Knippi“ als Stadionsprecher am Bökelberg. Ein WG-Kumpel überredet ihn damals mit den Worten: „Du bist Gladbach-Fan, du kannst drei Sätze geradeaus reden. Bewirb dich doch.“ Gesagt, getan. Nach einem Treffen mit dem Pressesprecher, den Torsten „über drei Ecken“ kennt, ist die Sache klar. Er löst Carsten Kramer ab, „der heute im Marketingvorstand von Borussia Dortmund sitzt.“ Nach zwei Jahren als Bökelberg-Sprecher pausiert Torsten aus beruflichen Gründen, dreht seine Runde durch Deutschland. Als 2006 Matthias Opdenhövel als Stadionsprecher aufhört, bekommt er den wichtigen Hinweis von einem Fan. Er schreibt dem VfL eine Mail mit nur einem Satz: „Isch bin bereit.“ Eine gute Entscheidung, sich Richtung Heimat zu orientieren: Bei der Stadioneröffnung 2004 lernt er seine große Liebe kennen, mit der er heute in Eicken wohnt. Nach ein paar Jahren Fernbeziehung entschließt er sich für die Rückkehr nach Mönchengladbach, wie er ruhig erzählt. Hier und da wird Knippi, der immer wieder ins lustige Niederrheinische verfällt, ganz ernst. Das ist auch der Fall, wenn er über seine Aufgabe im Stadion spricht: „Ich sitze direkt am Spielfeldrand und bekomme die Reaktionen hautnah mit. Das ist natürlich ein echtes Geschenk für jemanden, der Fußball liebt.“
Sein erstes Stadionerlebnis kann er noch genau beschreiben: „Bei meinem ersten Spiel 1979 haben sie gegen den HSV gespielt. 1:1. Aber es war, auch wenn Borussia nicht gewonnen hat, ein Wahnsinnserlebnis. Da war einer in der Kurve, der hatte Krücken dabei. Und als das Tor für Gladbach fiel, schmiss er die Krücken weg und rief: ‚Borussia hat mich geheilt!‘ Das fand ich als Neunjähriger total faszinierend. Bis ich dann mitbekommen habe, dass er das bei jedem Spiel gemacht hat.“ Beim SC Hardt und beim SC Rheindahlen spielt Torsten in der Jugend. Bei den Senioren wieder beim SC Hardt. „Das ist mein Verein und mein Heimatort, in dem ich aufgewachsen bin“, sagt er. „Zu mehr als Bezirksliga hat es aber nie gereicht“, erzählt Knippi. Dennoch hat er sein Hobby zum Beruf gemacht. Am Spielfeldrand muss der 45-Jährige sich an das vom DFB herausgegebene Handbuch für Stadionsprecher und Platzansager halten. Eigens dafür wurde für die deutschen Fußballsprecher aller Himmelsrichtungen eine Schulung initiiert. Seitdem findet ein regelmäßiger Austausch statt: „Der Stadionsprecher von St. Pauli hat vor drei Jahren eine Initiative gestartet und alle Stadionsprecher angeschrieben, wie denn die einzelnen Spieler ausgesprochen werden. Daraufhin hat sich dann ein E-Mail-Verteiler gebildet. Jetzt ist geplant, dass wir uns in der Winterpause in Berlin mal auf ein Bierchen treffen.“ Allen gemein ist das Ziel der Deeskalation: „Zum Beispiel steht im Handbuch, dass man nicht sagen soll: ‚Wir begrüßen unseren heutigen Gegner‘, sondern ‚Wir begrüßen unseren heutigen Gast‘.“ Im BORUSSIA-PARK sind die Rollen klar verteilt zwischen Stadionsprecher Knippi und Sicherheitssprecher Herrmann Schnitzler, wie Torsten erzählt: „Herrmann ist dafür zuständig, wenn es ernst wird.“ So wie am vergangenen Samstag, als die Schweigeminute verlesen wurde.
Freudentaumel in der Spielertraube
Bei aller Deeskalation und dem Respekt vor den Gästen: „So ganz kann man die Emotionen trotzdem nicht abschalten.“ Nach seinen Lieblingsanekdoten von der Bank gefragt, antwortet er: „Im Jahr, als Borussia abgestiegen ist, war ein sehr wichtiges Spiel gegen Werder Bremen. Kurz vor Schluss fiel das zwei zu zwei, das noch Hoffnung gegeben hat. Da war ich so im Jubel, dass ich mich auf einmal auf dem Spielfeld im Sechzehner nahe der Spielertraube wiedergefunden habe.“ Die Folge ist ein Rüffel vom vierten Offiziellen und ein Eintrag in den Spielbericht. Neben dem Freudentaumel hat Knippi aber auch schon wahrsagerische Fähigkeiten bewiesen. So kündigt er den Wechsel eines ehemaligen Spielers folgendermaßen an: „Hier kommt die Nummer 16, der Torschütze des nächsten Tores – Rob Friend.“ Nach ein paar Sekunden trifft dieser tatsächlich. Apropos Wahrsagen: Wie sieht es eigentlich mit Zukunftswünschen aus, persönlich und für die Borussia? – „Dass ich gesund bleibe. Dass meine Familie gesund bleibt. Das ist das Allerwichtigste. Und dass ein Mittel erfunden wird, das man ohne Bedenken anwenden kann für mehr Haarwuchs. Und wenn man mal in Utopien schwelgen darf, wünsche ich mir noch irgendeinen Titel, gerne auch einen großen.“ Da wünsche ich mit. Und drücke die Daumen für das Zaubermittelchen! 🙂
Falls ihr noch mehr über Knippi erfahren wollt – hier geht es zu seiner Homepage.
* Normalerweise knipse ich die portraitierten Menschen in Gladbach selbst. Das Licht im Van Dooren war allerdings so gemütlich, dass mein bescheidenes Equipment nicht mitgemacht hat. Deshalb diesmal sehr hübsche Profi-Fotos! Danke, Myriam und Lars!
Super gemacht ABER: war die Stadioneröffnung nicht 2004??
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Vielen Dank – und natürlich! Da war ich wohl kurz verwirrt! Ändere ich gleich, danke vielmals.
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