Silke Müller, Bookerin

Silke in Aktion
Silke in Aktion, Foto: Katrin Chodor

 

„Gewuppt“

In ihrem Zuhause in einem ruhigen Sträßchen in Hehn erwartet mich Silke Müller. Ich erinnere mich noch ziemlich genau an unsere erste Live-Begegnung im Frühjahr 2014. Bei einer Pressekonferenz erzählte sie damals voller brennender Leidenschaft davon, wen sie für das damalige HORST-Festival gebucht hatte. Dass direkt im Anschluss an den offiziellen Teil AnnenMayKantereit auf dem Vorplatz der Kulturküche spielten, sagt so ziemlich alles über den guten musikalischen Riecher der 29-Jährigen. Kurzum, ich war sofort Fan von ihr und ihrer Arbeit. Diese verrichtet sie inzwischen seit über zwei Jahren im Sparkassenpark und holte schon Künstler wie Deichkind und Jan Delay in die Vitusstadt. Heute Abend ist aber fast privat, außer dass ich das Band mitlaufen lasse und dafür Strom schnorren muss. Ansonsten stehen gefüllte Tomätchen, grandioses Brot und Oliven bereit. Hier in Hehn wohnt sie in einem „eigentlich zu großen Haus“. Zum Kauf des Eigenheims sagt sie: „Ich sehe es als Projekt. In einem Kollektiv aus vielen Freunden und Verwandtschaft haben wir das Ding gewuppt.“

„Coole Stelle“

Aufgewachsen ist Silke in Gubberath (man könnte auch schreiben in Jüchen, das klingt jedoch nicht halb so süß). Nach der Realschulzeit im beschaulichen Grevenbroich sagt sie sich: „Fickt euch. Ich will nicht hier bleiben.“ Neue Leute kennenlernen und was Neues sehen stehen stattdessen auf dem Programm. Sie wechselt auf das Maria-Lenssen-Berufskolleg in Rheydt, nimmt jeden Tag eine gute Dreiviertelstunde Weg auf sich und macht ihr Fachabitur im Sozial- und Gesundheitswesen. Im Anschluss folgt ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Behinderteneinrichtung im israelischen Herzliya. Warum ausgerechnet Israel? „Ich flieg nicht so gerne. Da dachte ich, warum nicht mal das angrenzende europäische Ausland. Ich wollte aber auch weg sein. Es hätte nicht gereicht, wenn ich nach Dänemark oder Italien gegangen wäre.“ Eine Grevenbroicher Freundin hat zuvor außerdem einen iraelischen Austauschstudenten zu Besuch. Entschlossen fährt Silke deshalb nach Gießen zu einem Treffen des Deutsch-Israelischen Vereins. „Die Leute, die mit mir da hinfuhren, die einen waren in Jerusalem, die anderen in Tel Aviv, schienen alle ganz gut drauf zu sein. Es wurde eine Menge Alkohol konsumiert auf diesen Seminaren, habe ich festgestellt. Dann habe ich mir eine coole Stelle gesucht.“

Silke und Flimm_Filter
Das Mitbringsel, ein Eckes Edelkirsch, erzeugt bei Silke sichtbar Freude – und Skepsis bei Flimm. 🙂  Foto: menscheningladbach / Nadine Beneke

„Es tut keinem weh, anderen den Arsch abzuwischen“

Wer nun meint, es sei der damals 18-Jährigen ums Feiern gegangen, irrt. Ihre Aufgabe vor Ort ist es, in einer Einrichtung für Menschen mit geistiger und zum Teil körperlicher Behinderung den Alltag aufzulockern. Sie erzählt: „In meiner Gruppe waren von dreißig Leuten zwei, mit denen man einen Satz wechseln konnte. Autisten, viele schwere Downies. Aber ich konnte mich damals komplett darauf einlassen. Ich hatte null Berührungsängste. Null. Keine Barriere.“ Diese Erfahrung ist nun zehn Jahre her, zu einer „halbwegs sicheren Zeit“. Vor kurzem war Silke noch einmal dort und berichtet: „Es sind viele Tränen geflossen.“ Freundschaften und die Lebensart lernt sie in Israel ebenso zu schätzen wie die Kultur- und Musikszene. Zum Thema FSJ hat sie außerdem eine klare Meinung: „Ich bin absoluter Verfechter davon, dass man das als Pflicht einführen sollte. Es tut keinem weh, ein Jahr lang anderen Leuten den Arsch abzuwischen.“ Silkes ehrliche Art ist entwaffnend und reißt mit. Kein Wunder, dass sie die Agenturen von Deichkind und Co. überzeugen kann, Zwischenstopps in Mönchengladbach einzuplanen.

Auf Vertrauensbasis

Ihre große Liebe zur Musik beginnt bereits im Teenie-Alter. Sie erzählt: „Es war jetzt nicht so, dass ich über meine Eltern oder meine Geschwister musikalisch geprägt wurde, sondern eher über den Freundeskreis.“ „The Process of Belief“ von Bad Religion nennt Silke als eine der Platten, bei der sie sich auch „Mittags um zwölf ein Bier aufmachen“ würde – „weil ich da so viele geile Erinnerungen dran hab.“ 2002, als die Platte rauskommt, besucht die junge Frau ihr erstes Festival, das Haldern Pop. „Ich hab einen krass älteren Freundeskreis gehabt. Ich war 14, 15, die waren alle so 19, 20. Viele Leute, mit denen ich dann nachher zusammen Musik gemacht hab. Meine Eltern haben sich eigentlich nie quergestellt. Ich habe nie harte Drogen konsumiert oder Alkoholexzesse gehabt in meiner Jugend. Das war einfach eine gute Vertrauensbasis.“ Von 2002 bis 2009 spielt sie Gitarre in einer eigenen Band: „Wir hießen zuerst Bootsmann und haben uns dann umbenannt in Noesis und hatten auch einen richtigen Proberaum. Dafür ist mein ganzes Taschengeld draufgegangen.“ Durch das Organisieren der eigenen Konzerte („weil wir nicht die geilste Band der Welt waren“) kommt Silke schließlich auf den Geschmack. Nach ihrer Rückkehr aus Israel studiert sie Kulturpädagogik im Bachelor, „was eine großartige Idee war“, wie sie rückblickend sagt. Ihr Praxissemester absolviert sie beim Landesmusikrat in Düsseldorf, wo sie unter anderem Kölner Beschwerdechor betreut: „Ein Meckerchor. Das war echt ein interessantes Projekt.“

„Da schlummert ein kleiner Wanderzirkus in mir“

Nicht nur interessant, sondern ihr Herzensprojekt wird das HORST-Festival, das 2009 von Olli Leonards angestoßen seine Premiere feiert. Zunächst in der Presse- und Offentlichkeitsarbeit übernimmt Silke schließlich das Booking. Von Cro bis Maxim über Asaf Avidan (den sie in Israel das erste Mal gesehen hat) und Kraftklub holt sie bis 2014 alle vielversprechenden Künstler in die Stadt, die das Festival sich leisten kann. „Das ist die längste Beziehung, die ich in meinem Leben geführt habe. Ich glaube, jeder der schon lange Beziehungen hinter sich gebracht hat, weiß, was das bedeutet“, sagt sie mit ein wenig Wehmut in der Stimme. Dann wirbelt Flimm, der entzückende Hund von Silke, ins Haus und sie lacht wieder. Außerdem, wer weiß, was noch passiert. Mit ihren gerade mal 29 Jahren kann Silke Stationen in Israel, Berlin, Düsseldorf und vor allem reichlich gebuchte Bands aufweisen. An der Hochschule Niederrhein ist die Master-Absolventin inzwischen als Dozentin tätig. In Gladbach fühlt sie sich erstmal „angekommen“. Im Dezember kommen die Beginner und die Sportfreunde Stiller zum Big Air-Snowboard-Spektakel in den Sparkassenpark. Ein kleines Hintertürchen lässt sie sich allerdings für die fernere Zukunft offen: „Da schlummert so ein kleiner Wanderzirkus in mir. Hamburg, oder auch das Ausland. Kanada. Israel ist vor allen Dingen für ältere Leute total geil. Da leben nur junge Leute und die Rentner können den ganzen Tag schöne junge Menschen angucken. Und es ist unglaublich geiles Wetter da.“

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